Prof. Jörn Müller-Quade

Müller-Quade ist Leiter des Instituts für Kryptographie und Sicherheit (Foto: B. Dörrscheidt)

Informatik ist für mich...

Interview mit Prof. Jörn Müller-Quade, Institut für Kryptographie und Sicherheit

 

Informatik ist für mich ein Fach, das eine sehr große Bandbreite abdeckt: es beginnt bei theoretischen Fragen, wie zum Beispiel „was kann man überhaupt berechnen?“ und geht bis hin zu spannenden, praktischen Anwendungen. Denn es gibt inzwischen kaum noch ein Gebiet, in dem nicht Informatik verwendet wird.

Ich habe Informatik studiert, weil ... tatsächlich müsste ich sagen, ich habe Informatik studiert, obwohl mich diese Maschinen abgeschreckt haben, bei denen man nur mit sehr speziellen Befehlen etwas erreichen kann. Mein Weg zur Informatik führte über ein damals sehr populäres Buch „Gödel, Escher, Bach“. Die dort diskutierten Überlegungen haben mich sehr fasziniert, erst später habe ich wahrgenommen, dass es sich dabei um Informatik handelte.

Ich bin an der Informatik-Fakultät des KIT, weil ... ich Glück hatte. Wer eine wissenschaftliche Laufbahn einschlägt, kann sich nicht wirklich aussuchen, wo er hinkommt. Ich bin sehr froh, dass ich hier bin, denn meine Frau und ich waren vorher schon einmal ganz gezielt nach Karlsruhe gegangen, da die Stadt sowohl für ihren wie auch für meinen Beruf herausragende Möglichkeiten bietet.

Informatik sollte studieren, wer ... eine gewisse Verspieltheit und ein Interesse für Mathematik mitbringt.  Aber die Informatik ist sehr breit, auch mit technischen Interessen oder einer gewissen Technikverliebtheit wird man hier sehr glücklich.

Die aktuell größte Herausforderung der Informatik besteht ... einerseits in theoretischen Herausforderungen. Gerade in meinem Bereich stellen sich Fragen wie: Kann es eine sichere Verschlüsselung überhaupt geben? Gibt es schwierige Rätsel? Ist P ≠ NP möglich? In der praktischen Informatik andererseits besteht die Herausforderung in der Komplexität der Systeme. Heutige Systeme sind so kompliziert wie nie zuvor und die Beherrschbarkeit solcher komplexer Systeme und ihres systematischen Entwurfs, das sind sehr große Herausforderungen.

Mich persönlich interessiert im Augenblick am meisten ... die Sicherheit komplexer Systeme. Es ist nicht ausreichend, Sicherheit "nachzurüsten". Vielmehr muss man immer die ganze Anwendung betrachten. Sicherheit kann auf einer Ebene verloren gehen, weil man auf irgendeiner anderen Ebene einen Fehler macht. Bisher kann man nur bei kleinen Anwendungen die Sicherheit mathematisch beweisen.

Ein gutes Beispiel ist hier das Drama um die EC-Karten. Wenn man seinen Chip abklebt, wird der Magnetstreifen überprüft. Tatsächlich aber hat man den Chip eingeführt, um die Sicherheit der Karte zu erhöhen. Aber jetzt haben wir gelernt: ein Angreifer kann mit dieser Skimming-Attacke, also einem modifizierten Bankautomaten, meinen Magnetstreifen und meine PIN abgreifen. Er muss dann nur noch seinen Chip überkleben und kann dann mein Konto abräumen. Das ist ein sehr gutes Beispiel, wie jemand von der Kryptographie vom Chip begeistert war, aber nicht das ganze System betrachtet hat.

Mich persönlich interessiert im Augenblick am meisten ... dass die Beweise, die die Sicherheit beweisen sollen – gerade für etwa komplexere Systeme inzwischen so schwierig und unverständlich werden, dass den Menschen Fehler unterlaufen. In Zukunft müssen diese Beweise von Maschinen überprüfbar werden, um menschliche Fehler auszuschließen.

An Karlsruhe gefällt mir ... die herrliche Lage: Pfalz, Elsass, Schwarzwald, Kraichgau als Naherholungsgebiete sind landschaftlich sehr reizvoll und da das Wetter hier sehr gut ist, kann man die Umgebung sehr genießen. Karlsruhe selber hat eine sehr angenehme Größe. Die Stadt ist groß genug, so dass man normalerweise nichts vermisst, aber klein genug, dass sie überschaubar bleibt. Karlsruhe ist sehr lebenswert.

In meiner Freizeit ... wandere ich gerne. Wobei mir die Lage Karlsruhes sehr entgegenkommt.