Forschung zu barrierefreier virtueller Realität

Forschung zu barrierfreier virtueller Realität

Kathrin Gerling und Philip Willke vom KIT erhalten Starting Grants vom Europäischen Forschungsrat – ERC zeichnet mit der Förderung herausragenden Wissenschaftsnachwuchs aus

Bei der jüngsten Ausschreibung für die Starting Grants des Europäischen Forschungsrats (ERC) waren zwei Nachwuchsforschende vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) mit ihren Projekten erfolgreich: Kathrin Gerling, Professorin für Mensch-Computer-Interaktion, zielt mit „AccessVR“ darauf ab, virtuelle Realität für Menschen mit körperlichen Behinderungen zugänglich zu machen. Tenure-Track-Professor Philip Willke, der an der Grenze zwischen Quantentechnologien und Nanowissenschaften forscht, arbeitet in ATOMQUANT an einer Architektur für die Quanteninformationsverarbeitung und die magnetische Sensorik auf atomarer Ebene.


 

Beitrag zum Design barrierefreier Technologien
Virtuelle Realität (VR) birgt ein enormes Potenzial für Freizeit, Bildung und Arbeit. Doch derzeit sind die meisten VR-Systeme für nichtbehinderte Menschen konzipiert. Ziel von Kathrin Gerling, Professorin für Mensch-Computer-Interaktion am Institut für Anthropomatik und Robotik (IAR) des KIT, ist es, mit ihrem Projekt AccessVR (steht für: Developing Experience-Centric Accessible Immersive Virtual Reality Technology) physische, digitale und erfahrungsbezogene Barrieren zu beseitigen, um VR für Menschen mit körperlichen Behinderungen besser zugänglich zu machen. Dazu wird die Informatikerin zunächst entsprechende Anforderungen an Schnittstellen für Benutzerinnen und Benutzer sowie die Darstellung von Behinderung in VR untersuchen und dazu maßgeschneiderte VR-Prototypen entwickeln. Anschließend wird sie eine anpassbare VR-Plattform mit verschiedenen Arbeitsplatz- und Unterhaltungsszenarien erarbeiten. „Das Projekt AccessVR wird den Grundstein für die weitere Einbeziehung behinderter Menschen in VR legen, zum Design barrierefreier Technologien beitragen und technologische Forschung fördern, die Barrierefreiheit vom ersten Entwicklungstag an priorisiert“, so die Forscherin.
Gerling ist Leiterin der Forschungsgruppe „Mensch-Maschine-Interaktion und Barrierefreiheit“ sowie Ko-Leiterin des Reallabors „Barrierefreiheit“ am IAR des KIT. Im Fokus der Forschung ihres Teams stehen die Fragen, wie interaktive Technologie sich so gestalten lässt, dass sie die Selbstbestimmung der Menschen unterstützt. Zudem untersuchen die Forschenden, wie sich eine erfahrungsorientierte Barrierefreiheit erreichen lässt, die über die Beseitigung von Barrieren hinausgeht und darauf zielt, bereichernde Nutzungserfahrungen für alle zu schaffen.

Quantenforschung Atom für Atom
Die Quantenmechanik ist die Theorie, welche die Naturgesetze in der Nanowelt auf der Skala von Atomen und Molekülen beschreibt und neue technologische Möglichkeiten eröffnet, beispielsweise in der Informationsverarbeitung und in der Sensorik. Philip Willke, Tenure-Track-Professor am Physikalischen Institut (PHI) des KIT, arbeitet in seinem Projekt ATOMQUANT an einer neuen, auf der Rasterkraftmikroskopie (AFM) basierenden Architektur für die Quanteninformationsverarbeitung und die magnetische Sensorik auf atomarer Ebene. Dabei spielen Spins – die elementaren Einheiten von Magneten – eine zentrale Rolle und ermöglichen, die quantenmechanischen Eigenschaften einzelner Atome und Moleküle individuell zu vermessen. Wenn Spins auf der Nanoskala ausreichend isoliert sind, können sie ihre Quanteneigenschaften lange beibehalten, das heißt lange in eine vorgegebene Richtung ausgerichtet bleiben. Willke hat sich in ATOMQUANT vorgenommen, diese magnetischen Quantenzustände auf Oberflächen um mehrere Größenordnungen zu verbessern. „Die Ergebnisse haben das Potenzial, die Quantenforschung auf die atomare Skala zu bringen und die Erforschung potenzieller Quantenbit-Systeme mit herausragenden Quanteneigenschaften in-situ und Atom für Atom zu ermöglichen“, erklärt der Physiker.
Willke forscht am PHI des KIT im Grenzbereich zwischen Quantentechnologien und Nanowissenschaften. Er ist überzeugt, dass die künftigen Herausforderungen in Wissenschaft und Technik auf der grundlegenden Skala der Materie, nämlich auf der atomaren Ebene, angegangen werden müssen. Mit seinem Team nutzt er vor allem die Rastersondenmikroskopie in Kombination mit Elektronenspinresonanz, um Quantensysteme Atom für Atom aufzulösen und zu kontrollieren.

ERC Starting Grants 2023
Der Europäische Forschungsrat (European Research Council – ERC) fördert mit Starting Grants herausragende Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler, die eine eigene unabhängige Karriere starten und eine eigene Arbeitsgruppe aufbauen wollen. Die ausgewählten Projekte werden für fünf Jahre mit jeweils bis zu 1,5 Millionen Euro unterstützt. In der Ausschreibungsrunde 2023 hat der ERC Starting Grants für insgesamt 400 Projekte in 24 Ländern mit einem Gesamtvolumen von 628 Millionen Euro vergeben. Eingegangen waren 2 696 Anträge; die Bewilligungsquote beträgt damit 14,8 Prozent.