Daten „fühlen“ mit haptischen Displays

  • author:

    Martin Heidelberger

  • place:

    KIT-Presseinformation 145/2018

  • date: 15.11.2018

Daten „fühlen“ mit haptischen Displays

Um unsere Umwelt wahrzunehmen, können wir Menschen auf fünf Sinne zurückgreifen. Beim Umgang mit Technik nutzen wir aber meist Bildschirme oder Lautsprecher, die nur Gehör- und Sehsinn ansprechen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) entwickeln nun haptische Displays, die über den Tastsinn arbeiten. Das System VibrAID beispielsweise soll mit Vibrationsmustern den Umgang mit komplexen Steuersystemen erleichtern.

 

„Haptische Displays übertragen per Vibration oder Druck Informationen über die Haut. Das kann eine Smartwatch sein, die uns über Vibration auf eine eingehende Nachricht aufmerksam macht, oder ein
Handy, das uns aus der Hosentasche heraus über Vibrationsmuster navigiert“, sagt Erik Pescara von der Forschungsgruppe Telecooperation Office (TECO) des KIT. Doch haptische Feedbackgeräte können noch viel mehr: TECO entwickelt haptische Assistenzsysteme für komplexe Steueraufgaben. Mögliche Anwendungsszenarien des Systems VibrAID finden sich beispielsweise in den Leitwarten von Kraftwerken oder Verkehrsnetzen. Dort werden oft große Mengen relevanter Daten auf Bildschirmen angezeigt. Solche Dashboard-Systeme – also grafische Benutzeroberflächen, die Informationen per Computer darstellen – sind zwar individuell konfigurierbar, dennoch
kann es passieren, dass Nutzer nicht schnell genug zu den aktuell relevanten Informationen finden, um das System optimal zu steuern.

 

„Wir wollen den visuellen Sinn entlasten, indem wir über den haptischen Sinn auf relevante Ereignisse aufmerksam machen“, sagt Vincent Diener, der VibrAID am KIT entwickelt und ebenfalls am TECO
arbeitet. „Ein tragbares System – ein sogenanntes Wearable – informiert den Nutzer mithilfe vorab eingelernter Vibrationsmuster über wichtige Änderungen oder Events im Dashboard.“ Die Aufmerksamkeit des Nutzers werde auf diese Weise weniger beansprucht und er könne sich besser auf andere Aufgaben konzentrieren. „Im Hintergrund
läuft ein Server, der überwacht, ob es im System beispielsweise eine Überschreitung eines Richtwertes gibt“, so Diener. „Liegt eine solche vor, sendet das System die Information an das Smartphone des Nutzers. Dieses leitet dann die entsprechenden Daten via Bluetooth an das Wearable weiter und löst die Vibrationsimpulse aus.“ VibrAID besteht aus einer Manschette für das Handgelenk, die mit zehn kleinen Vibrationsmodulen ausgestattet ist. Da sich die
Elektronik leicht entfernen lässt, kann die Manschette gut gereinigt werden. Die Wissenschaftler bauen nun am Beispiel der Leitwarte eines Energieversorgers eine realitätsnahe Studienumgebung am KIT auf, um das System dort zu testen.

 

Die vom TECO entwickelten haptischen Technologien zeigen, dass es bei der Interaktion zwischen Mensch und Maschine intelligentere Wege gibt, als Daten nur über Monitore und Lautsprecher anzuzeigen. Zukünftig könnten haptische Displays uns selbstverständlich im Alltag und bei der Arbeit unterstützen.

 

Weitere haptische Technologien von TECO
Proximity Hat: Der Proximity Hat – zu Deutsch etwa Annäherungshut – nutzt die Reizwahrnehmung durch Druck. Er üübermittelt seinem Träger durch schwächere oder stärkere Signale Informationen darüber, wie nah sich Wände, Durchgänge oder Gegenstände befinden. Das System vermisst die jeweilige Umgebung in Echtzeit via Ultraschall
und könnte Sehbehinderte ebenso bei der Orientierung im Raum unterstützen wie Feuerwehrleute in einem verrauchten Gebäude. Anwendungen wie den Proximity Hat zeigt ein aktuelles Video unter
https://youtu.be/PGOJd3rXTCI

RüttelFlug: Beim Gleitschirmfliegen ist es wichtig, dass der Pilot Informationen über die thermischen Umgebungsbedingungen bekommt, um kontrolliert sinken oder steigen zu können. Üblicherweise zeigen spezielle Messgeräte die Flughöhe an und übermitteln die Vertikalgeschwindigkeit über visuelle oder auditive Signale an den Piloten. Das System RüttelFlug informiert den Gleitschirmflieger dagegen per Vibrationen über die Geschwindigkeits- und Höhenveränderung. So kann dieser den Flug ohne störendes Piepsen oder ablenkende
Monitore genießen.